, Geisthardt Jana

Vom Garten in die moderne Halle

Patrick Schütz ist Rechtsanwalt, Stabhochsprungtrainer und noch immer selbst als Wettkämpfer aktiv. Daneben war der Henggarter massgeblich daran beteiligt, eine neue Leichtathletikhalle zu realisieren.

Sie ist 75 Meter lang, 15 Meter breit und 8,5 Meter hoch. Die Rede ist von der frisch erstellten Leichtathletikhalle in Frauenfeld, die aus der Kleinen Allmend im Thurgauer Hauptort so etwas wie das Magglingen der Ostschweiz machen soll. «In dieser Halle kannst du auch zum Olympiasieger werden», ist Patrick Schütz überzeugt. Er war eine treibende Kraft bei der Realisierung des «Athletics-Center».

Der Henggarter amtet als Stabhochsprungtrainer für Sportlerinnen und Sportler der Leichtathletikvereinigung Winterthur (LVW) und des Leichtathletik Clubs Frauenfeld (LCF). Zu seinen Schützlingen gehört auch Andrina Hodel, die 2021 in Tokio als jüngste Stab-Teilnehmerin bei Olympia startete. Daneben steht der 39-Jährige, der sechsmal Schweizer Meister war und in seinen besten Tagen 5,35 Meter übersprang, auch weiterhin selbst bei Wettkämpfen im Einsatz. Er kennt sich also aus.

In Winterthur so nicht möglich

«Ausser seiner eigenen Motivation braucht man im Stabhochsprung zwei Dinge, um erfolgreich zu sein: einen guten Trainer und eine gute Infrastruktur», sagt er. Die neue Halle in Frauenfeld sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Dort sei alles möglich – von Stabhochsprung über Weitsprung bis hin zu Hammerwurf. Lange Jahre wollte die LVW einen solchen Bau auf dem Deutweg in Winterthur realisieren. «Aber das war politisch nicht umsetzbar», sagt Patrick Schütz. Da gleichzeitig der LCF ähnliche Ziele verfolgte, taten sich die beiden Vereine zusammen. Und weil die Winterthurer Baupläne bereits bestanden – der Vater des Weinländers ist Architekt – und sich die Stad Frauenfeld deutlich offener gegenüber dem Projekt zeigte, ging es plötzlich schnell. Im Oktober 2021 begannen die Bauarbeiten, im April 2022 folgte bereits die Eröffnung. Kostenpunkt: etwas über zwei Millionen Franken.Nebst der umfassenden Ausstattung hat das «Athletics-Center» einen weiteren grossen Vorteil: Es befindet sich im privaten Besitz einer Stiftung, die durch die beiden Leichtathletikvereine finanziert wird. Den Athletinnen und Athleten stehen die Anlagen somit 24/7 und bei jedem Wetter zur Verfügung. Frauenfeld liegt zudem geografisch günstiger als St. Gallen, wohin bisher im Wintertraining teilweise ausgewichen werden musste.

Wenig Zeit zum Abschalten

Patrick Schütz steht häufig in der neuen Halle. Aktuell betreut er ein Team von fünf Spitzenathletinnen und -athleten. Nebst Andrina Hodel und dem aufstrebenden Winterthurer Adrian Kübler (Bestleistung 5,25 Meter) gehören dazu auch die Nummer zwei Chiles, Daniel Zupeuc (5,30), Maurin Buschor (5,00) sowie der liechtensteinische Rekordhalter Luc Thommen (4,70). Und gleichzeitig arbeitet er hauptberuflich im 80-Prozent-Pensum als Rechtsanwalt. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. Kann man da überhaupt noch abschalten? «Das ist ein wunder Punkt, gelegentlich runterzufahren ist schwierig», gibt er zu. Als Ausgleich lese er gerne, meist Sportliteratur, oder gehe mit Hund und Freundin – ebenfalls Stabhochspringerin – zum Canicross. Dabei handelt es sich um eine Art Geländelauf, bei dem Mensch und Tier ein Team bilden.

Nach dem letztjährigen Olympia- sommer – damals noch Vollzeit angestellt – sei er aber ausgebrannt gewesen. Er und Andrina Hodel hätten teilweise innerhalb einer Woche Wettkämpfe in drei Ländern gehabt. «Kaum war ich in der Schweiz gelandet, ging es direkt wieder ins Büro.» Da sei ihm bewusst geworden, dass er etwas ändern müsse. Erste Massnahme war die Verschiebung der betreuten Samstagstrainings auf einen Tag unter der Woche, um so ausserhalb der Wettkampfsaison wenigstens die Wochenenden frei zu haben. Später reduzierte er zudem sein Arbeitspensum als Anwalt. Im Gegenzug wird Patrick Schütz als Trainer professionell mit einem 20% Pensum entschädigt. Das entspräche zwar nicht dem effektiven Aufwand, sei aber ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung.

Wettkämpfe im Garten

Doch der Stabhochsprung ist eine Leidenschaft, die den Henggarter von Kindesbeinen an antrieb. Kein Wunder, wurde er doch in eine Leichtathletikfamilie hineingeboren. «Mein Vater war Hammerwerfer, meine Mutter Hürdenläuferin», sagt er. «Wir Kinder im Quartier trugen jeweils Wettkämpfe im Garten aus.» ten aus.» Für den Stabhochsprung wur- de ein Loch in den Rasen gegraben, als Matte diente ein Stapel Sitzpolster. «Mit 9 Jahren sprang ich 1,63 Meter hoch», erinnert sich Patrick Schütz. 

Bevor er aber zum richtigen Stabhochspringer wurde, spielte er Basketball. «Doch dafür war ich irgendwann zu klein, um zu den Besten zu gehören.» Also wechselte er mit 15 zurück zur Leichtathletik und zum Stabhochsprung – eigentlich ein Jahr zu früh, denn diese Disziplin wurde damals in der LVW erst ab 16 trainiert. «Ich hatte das Glück, von Anfang an einen guten Trainer gehabt zu haben.» Nach nur drei Jahren knackte er mit 4,88 Metern den 25-jährigen Schweizer U18-Rekord, und fortan gehörte er zur nationalen Spitze.

Nochmals auf fünf Meter

Gute Trainer seien essenziell. Für Leichtathletikerfolge brauche es die entsprechende Motivation, die richtigen Gene und das Wissen, wie man diese einsetzt und ausbildet. Der passende Trainer sei in einer technisch so anspruchsvollen Disziplin oft das entscheidende Puzzle-Teil. Es gehe um Detailarbeit, um Mentoring und um Inputs von aussen. «Ohne Trainer wird man als Sportler quasi betriebsblind.» Das Coachen habe bei ihm deshalb immer Vorrang, seine eigene Aktivkarriere sei sekundär, betont Patrick Schütz. Der Olympia-Erfolg mit Andrina Hodel in weniger als fünf Jahren gibt ihm recht.

Und doch juckt es ihn immer noch in den Fingern, wenn er zum Stab greift. «Mit der neuen Halle kam auch neue Motivation.» Ausserdem sei er bald 40, was ihn in eine neue Altersklasse bringe. «Der Traum wäre, nochmals fünf Meter zu springen.» Seine aktuelle Saisonbestleistung liegt bei 4,85 Metern. Den optimalen Ort, um an der Verwirklichung seines Traums zu arbeiten, hat er ja nun in Frauenfeld.